Prof. Dr. Matthias Fifka verantwortet die Nachhaltigkeitsstrategie der FAU Erlangen-Nürnberg, wo er ebenfalls Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft sowie Professor für Strategisches und Werteorientiertes Management ist. Wir kooperieren als Agentur mit Prof. Dr. Matthias Fifka im Rahmen von beauftragten Nachhaltigkeitsberichten sehr eng und freuen uns auf das Interview. Matthias,…
…welche Faktoren und Treiber machen ESG-Reporting für den Mittelstand immer wichtiger?
Hier starte ich direkt mit dem Stichwort „Zulieferer“: Große Unternehmen fordern von ihren Lieferanten häufig die Einhaltung von sozialen, ökologischen und Governance-Standards und machen diese zur Voraussetzung für eine Lieferbeziehung. In diesem Rahmen verschicken Sie entweder selbst sogenannte „Self Assessments“ oder holen eine Bewertung über Drittanbieter ein. In jedem Fall ist der Zulieferer gezwungen, bestimmte ESG-Information und entsprechende Kennzahlen gegenüber den Kunden offenzulegen. Dies sollte aber nicht als leidige Pflicht verstanden werden, denn das ESG-Reporting ist zu einem wichtigen Instrument der Kundengewinnung und -bindung für den Mittelstand geworden.
Gibt es darüber hinaus noch weitere Mehrwerte, die für mittelständische Unternehmen aus dem ESG-Reporting heraus entstehen?
Defintitiv. Zum Beispiel im Bereich Personalgewinnung. Vor allem junge Menschen legen immer größeren Wert darauf, für ein nachhaltiges Unternehmen zu arbeiten. Nicht minder wichtig ist das Thema aber auch für die existierende Belegschaft. Wir wissen aus vielen Studien, dass Arbeitnehmer motivierter und zufriedener in einem Unternehmen sind, das soziale und ökologische Verantwortung übernimmt. Nachhaltigkeit fördert also auch das, was wir „Organisationsstolz“ nennen.
Eine weitere wichtige Entwicklung betrifft die Kapitalaufnahme. Mittelständische Unternehmen sind in den meisten Fällen auf Fremdkapital angewiesen, um zu wachsen. Immer mehr Banken binden die Kreditvergabe jedoch an die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen. Das heißt, ganz einfach gesagt, umso besser meine ESG-Performance ist, umso niedriger sind die Zinsen, die ich für meinen Kredit zahle.
Und neben niedrigeren Kapitalkosten kann ein Unternehmen natürlich auch noch andere Kostenvorteile erzielen, beispielsweise durch verbesserte energetische Lösungen oder eine höhere Materialeffizienz. Welche immensen Vorteile eine Versorgung mit regenerativen Energien bringen kann, sehen wir ja momentan. Nicht nur im Hinblick auf die Kosten, sondern auch auf die Versorgungssicherheit an sich.
Worin liegen die größten Herausforderungen im Umgang mit ESG-Reporting und wie können Unternehmen diesen erfolgreich begegnen?
Zunächst einmal stellt sich in vielen Unternehmen die Frage, wer nimmt sich überhaupt des Themas an? Hier empfiehlt es sich, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen und genügend Zeit einzuräumen. Denn Nachhaltigkeit und dem damit verbundenen ESG-Reporting sind nicht im Vorbeigehen erledigt. Nachdem dem Schaffen von Verantwortung geschaffen und Bereitstellen von Ressourcen sollten die Ziele des ESG-Reportings klar definiert werden. Wen will ich erreichen und warum? Die größte Herausforderung stellt sicherlich die Umsetzung dar. Welche Information und Kennzahlen sind wichtig für mich? Was muss ich erheben und wie? Das ist häufig eine neue und oft auch eine abstrakte Materie für viele Unternehmen. Einen ökologischen Fußabdruck bestimmt man mal nicht ebenso. Hier sind zwei Dinge wichtig: Reporting als graduellen Lernprozess zu verstehen, den man nach und nach aufbaut; und sich externe Unterstützung zu holen, weil eben vieles völliges Neuland ist.
Ein Blick in die Zukunft – was kommt in puncto ESG-Reporting auf Unternehmen zu?
Ich denke, wir werden drei Dinge sehen: Erstens eine verstärkte Konsolidierung. Wir haben momentan noch sehr viele Standards und Rahmenwerke. Das schafft Verwirrung und Unsicherheit. Hier werden sich künftig ein oder zwei Standards durchsetzen. Zweitens, und das ist eng damit verbunden, wird der Gesetzgeber die Reportingpflichten immer weiter ausdehnen. So müssen ab 2025 auch Kapitalgesellschaften, die zwei von drei Kriterien erfüllen ( a) mehr als 250 Mitarbeitende, b) mehr als 40 Millionen € Umsatz, c) mehr als 20 Millionen € Bilanzsumme), eine nicht-finanzielle Erklärung veröffentlichen. Das Reporting kommt also im klassischen Mittelstand an. Drittens, es gibt immer mehr verbindliche soziale und ökologische Kennzahlen, die offen gelegt werden müssen. Längerfristig gesehen denke ich, dass ESG-Reporting in fünf bis zehn Jahren genauso normal sein wird wie klassische Finanzberichterstattung.